PRÄAMBEL
Das Volk von Andorra, in Freiheit und Unabhängigkeit und
in Ausübung der ihm eigenen Souveränität,
Im Bewußtsein, daß die institutionelle
Struktur Andorras den neuen Umständen angepaßt werden
muß, die von der Entwicklung der geographischen, historischen
und sozial-kulturellen Umgebung gefordert werden, und überzeugt
von der Notwendigkeit, jene Beziehungen zu regeln, welche die
auf den Prinzipien der Pareatges begründeten Institutionen
innerhalb dieses neuen rechtlichen Rahmens besitzen müssen,
Überzeugt, daß es ratsam ist, sich mit allen Mechanismen
auszurüsten, welche die Rechtssicherheit bei der Ausübung
der Grundrechte gewährleisten sollen, die, wenn sie auch
immer gegenwärtig waren und in ihrem Charakter von der
andorranischen Gesellschaft anerkannt waren, nicht über
eine konkrete materielle Regelung verfü gten,
Entschlossen, die Förderung von Werten wie Freiheit, Gerechtigkeit,
Demokratie und sozialer Fortschritt zu betreiben, und die harmonischen
Beziehungen zwischen Andorra und der restlichen Welt, in spezieller
Hinsicht zu den Nachbarländern, auf der Grundlage des gegenseitigen
Respekts, des Zusammenlebens und des Friedens, zu bewahren und
zu erweitern,
Im Willen, sich im Sinne der gemeinsamen Ziele der Menschheit
einzusetzen und zu ihrer Erlangung zusammenzuarbeiten, vor allem
zur Erhaltung der Erde und zur Sicherung angemessener Lebensumstände
für die künftigen Generationen,
In dem Wunsch, daß der Leitspruch 'virtus, unita, fortior",
der den friedlichen Weg Andorras während seiner mehr als
siebenhundertjährigen Geschichte geleitet hat, weiterhin
volle Gültigkeit behalte und immer die Handlungen der Andorraner
als Grundsatz bestimmen möge,
Gibt sich in freier Selbstbestimmung die vorliegende Verfassung.
TITEL I
ÜBER DAS STAATSWESEN VON ANDORRA
Artikel 1
1. Andorra ist ein unabhängiger demokratischer und sozialer
Rechtsstaat. Sein offizieller Name ist Principat d'Andorra.
2. Die Verfassung bestimmt zu Grundsätzen, die das staatliche
Handeln des andorranischen Staates bestimmen sollen, den Respekt
und die Förderung von Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit
und Toleranz sowie die Verteidigung der Menschenrechte und der
Menschenwürde.
3. Die Staatsgewalt geht vom andorranischen Volk aus. Sie wird
ausgeübt durch die verschiedenen Arten der demokratischen
Teilnahme und durch die Institutionen, die in dieser Verfassung
festgelegt sind.
4. Das politische System von Andorra ist das parlamentarische
Coprincipat .
5. Andorra besteht aus den Parròquies Canillo, Encamp,
Ordino, La Massana, Andorra la Vella, Sant Julià de Lòria
und Escaldes-Engordany.
Artikel 2
1. Die offizielle Amtssprache ist Katalanisch.
2. Die Nationalhymne, das Banner und das Wappen von Andorra
werden nach der Tradition beibehalten.
3. Andorra la Vella ist die Hauptstadt des Staates.
Artikel 3
1. Die vorliegende Verfassung bindet als oberste Vorschrift
der Rechtsordnung alle Organe der öffentlichen Gewalt und
alle Bürger.
2 Die Verfassung garantiert die Gesetzmäßigkeit des
staatlichen Handelns, das Prinzip der Normenhierarchie, der
öffentlichen Verkündung der rechtlichen Vorschriften,
das Verbot der Rückwirkung von Maßnahmen, welche
die individuelle Freiheit einer Person eingrenzen, nachteilige
Wirkungen mit sich bringen oder zu schwererer Bestrafung führen,
das Gebot der Rechtssicherheit, der rechtlichen Verantwortlichkeit
der öffentlichen Gewalt und das Verbot von jeder Art von
Willkür.
3. Die allgemeinen Regeln des internationalen öffentlichen
Rechts werden Bestandteil der rechtlichen Ordnung von Andorra
. 4. Internationale Verträge und Vereinbarungen gelten
als Bestandteil der Rechtsordnung, wenn sie im Butlletí
Oficial del Principat d'Andorra veröffentlicht worden sind.
Sie können nicht durch Gesetze verändert oder aufgehoben
werden.
TITEL II
ÜBER RECHTE UND FREIHEITEN
Kapitel I. Allgemeine Grundlagen
Artikel 4
Die Verfassung bekennt sich zur Unantastbarkeit der menschlichen
Würde und garantiert deshalb die unverletzlichen und unverjährbaren
Rechte des Menschen, die die Grundlage der politischen Ordnung,
des sozialen Friedens und der Gerechtigkeit darstellen.
Artikel 5
Die Universale Deklaration der Menschenrechte hat in Andorra
Gültigkeit.
Artikel 6
1. Alle Menschen sind gleich vor dem Gesetz. Niemand darf wegen
seiner Geburt, seiner Rasse, seines Geschlechts, seiner Herkunft,
seiner Religion, seiner Meinung oder anderer persönlicher
oder sozialer Umstände benachteiligt werden.
2. Die Organe der öffentlichen Gewalt müssen die Bedingungen
dafür schaffen, daß Gleichberechtigung und individuelle
Freiheit verwirklicht und ausgeübt werden können.
Kapitel II. Die andorranische Staatsbürgerschaft
Artikel 7
1. Die andorranische Staatsangehörigkeit, einschließlich
ihrer rechtlichen Folgen, kann nach den Bestimmungen einer Llei
Qualificada erlangt, behalten und verloren werden.
2. Die Annahme oder Aufrechterhaltung einer anderen Staatsangehörigkeit
beinhaltet, unter den Umständen und Bedingungen, die das
Gesetz festlegt, den Verlust der andorranischen Staatsangehörigkeit.
Kapitel III. Über die grundsätzlichen
Rechte einer Person und die öffentlichen Freiheiten
Artikel 8
1. Die Verfassung bekennt sich zum Recht auf Leben und zu dessen
vollem Schutz in allen seinen Phasen.
2. Jeder hat das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit.
Niemand darf gefoltert oder unmenschlichen oder erniedrigenden
Strafen und Behandlungen ausgesetzt werden.
3. Die Todesstrafe ist untersagt.
Artikel 9
1. Jeder hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Dieses Recht
darf ihm nur aus den Gründen und durch die Verfahren entzogen
werden, die in der Verfassung und in den Gesetzen festgelegt
sind.
2. Die staatliche Festnahme darf nicht länger dauern, als
zur Ausführung der Untersuchungen für die Aufklärung
des Falles notwendig ist, und darf nie den Zeitraum von achtundvierzig
Stunden überschreiten, ohne daB der Festgenommene einem
Richter vorgeführt wird.
3. Das Gesetz wird ein Verfahren festlegen, in dem jeder Festgenommene
sich an ein rechtliches Organ wenden kann, mit dem Ziel, daß
dieses die Rechtmäßigkeit seiner Festnahme prüft.
Ebenso wird ein Verfahren geschaffen zur Wiederherstellung der
durch die Festnahme verletzten Grundrechte.
4. Niemand darf für Handlungen oder Unterlassungen bestraft
werden, die im Moment ihres Geschehens nicht als Verbrechen,
Vergehen oder Ordnungswidrigkeit gesetzlich bestimmt waren.
Artikel 10
1. Die Verfassung garantiert das Recht auf gerichtlichen Schutz,
darauf, eine rechtlich begründete Entscheidung zu erhalten,
sowie das Recht auf einen menschenwürdigen Prozeß
vor einem unparteiischen und gesetzlich vorbestimmten Gericht.
2. Jeder hat das Recht auf Verteidigung vor Gericht und auf
den Beistand eines Rechtsanwalts, auf eine angemessene Dauer
der Verhandlung, auf die Vermutung seiner Unschuld und darauf,
über den Inhalt der Anklage unterrichtet zu werden. Jeder
hat das Recht, seine Schuld nicht zu offenbaren, nicht gegen
sich selbst auszusagen und, hei Strafprozessen, das Recht auf
ein Rechtsmittel.
3. Das Gesetz regelt die Voraussetzungen für jene Fälle,
in denen die Rechtsprechung zur Garantie des Gleichheitsprinzips
kostenlos sein muß.
Artikel 11
1. Die Verfassung garantiert das Recht auf weltanschauliche,
religiöse und kultische Freiheit. Niemand darf gezwungen
werden, über seine Religion, seine Weltanschauung oder
seinen Glauben Zeugnis abzulegen oder sich darüber zu erklären.
2. Die Freiheit zur Bekundung der eigenen Religion oder der
eigenen Glaubensinhalte ist lediglich jenen Begrenzungen unterworfen,
die im Gesetz festgelegt und notwendig sind, um die öffentliche
Sicherheit, Ordnung, Gesundheit oder Moral oder die Grundrechte
und Freiheiten anderer zu schützen.
3. Die Verfassung garantiert der Katholischen Kirche freie und
öffentliche Ausühung ihrer Tätigkeiten sowie
die Aufrechterhaltung der Beziehungen besonderer Zusammenarbeit
mit dem Staat, in Übereinstimmung mit der andorranischen
Tradition.
Die Verfassung erkennt den Einrichtungen der Katholischen Kirche,
die nach ihren eigenen Normen eine eigene Rechtspersönlichkeit
haben, volle Rechtsfähigkeit im Rahmen der allgemeinen
andorranischen Rechtsordnung an.
Artikel 12
Die Freiheit der Meinungsäußerung, der Kommunikation
und der Information wird anerkannt. Das Gesetz regelt das Recht
auf Gegendarstellung, Berichtigung und auf das Berufsgeheimnis.
Die vorhergehende Zensur oder jede andere Art von ideologischer
Kontrolle seitens der Organe der öffentlichen Gewalt sind
verboten.
Artikel 13
1. Das Gesetz regelt den Personenstand und die Formen der Eheschließung.
Die zivilen Wirkungen der kanonischen Eheschließung werden
anerkannt.
2. Die Organe der öffentlichen Gewalt vertreten eine Politik,
die die Familie als Grundlage der Gesellschaft schützt.
3. Die Ehepartner haben die gleichen Rechte und Verpflichtungen.
Die Kinder sind vor dem Gesetz gleich, unabhängig von ihrer
Ehelichkeit.
Artikel 14
Die Verfassung garantiert das Recht auf Privatsphäre, auf
die Ehre und das Recht am eigenem Bild. Jeder hat das Recht,
von den Gesetzen gegen rechtswidrige Einmischung in sein Privat-
und Familienleben geschützt zu werden.
Artikel 15
Die Verfassung garantiert die Unverletzbarkeit der Wohnung,
die niemand ohne Einverständnis des Besitzers oder ohne
richterlichen Befehl betreten darf, außer bei der unmittelbaren
Verfolgung einer Straftat. Ebenso wird das Geheimnis des gesprochenen
Wortes garantiert, außer bei einem rechtlich begründeten
richterlichen Befehl.
Artikel 16
Das Recht auf Versammlungen und friedliche Demonstrationen zu
erlaubten Zwecken wird gewährleistet. Die Ausübung
des Demonstrationsrechtes erfordert die vorhergehende Mitteilung
an die Behörden und darf nicht die Bewegungsfreiheit von
Personen und Gütern beeinträchtigen.
Artikel 17
Anerkannt wird die Freiheit zur Bildung von Vereinigungen zu
friedlichen Zwecken. Um die Öffentlichkeit zu gewährleisten,
wird ein gesetzliches Register der gebildeten Vereinigungen
geführt.
Artikel 18
Anerkannt wird das Recht auf Gründung und freie Betätigung
von betrieblichen, beruflichen und gewerkschaftlichen Organisationen.
Unbeschadet ihrer Verbindung mit internationalen Vereinigungen
müssen diese Organisationen dem Bereich Andorras angehören,
unabhängig sein, dürfen in ihren Organen nicht vom
Ausland abhängen und müssen demokratisch aufgebaut
sein.
Artikel 19
Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben das Recht, ihre ökonomischen
und sozialen Interessen zu vertreten. Das Gesetz wird die Bedingungen
für die Ausübung dieses Rechtes regeln, um die Funktion
der grundlegenden Dienstleistungen innerhalb der Gemeinschaft
zu gewährleisten.
Artikel 20
1. Jeder hat das Recht auf eine Erziehung. Diese muß auf
die volle Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit und
Würde gerichtet sein und besonders auf den Respekt gegenüber
der Freiheit und den Grundrechten.
2. Die Freiheit der Lehre und der Bildung von Lehranstalten
wird anerkannt.
3. Die Eltern haben das Recht zu wählen, welche Erziehung
ihre Kinder erhalten sollen. Ebenso haben sie das Recht auf
eine moralische oder religiöse Erziehung ihrer Kinder,
die mit ihren eigenen Überzeugungen übereinstimmt.
Artikel 21
1. Jeder hat das Recht auf Freizügigkeit innerhalb des
Staatsgebietes und kann das Land in Übereinstimmung mit
den Gesetzen betreten und verlassen.
2. Staatsbürger und Ausländer mit legalem Wohnsitz
haben das Recht, ihren Wohnsitz innerhalb von Andorra frei zu
wählen.
Artikel 22
Die Nichterneuerung der Aufenthaltsgenehmigung oder die Ausweisung
einer Person mit legalem Wohnsitz kann ausschließlich
aus den gesetzlich festgelegten Gründen und unter den gesetzlich
vorgesehenen Bedingungen verfügt werden. Macht der Betreffende
sein Recht auf gerichtlichen Schutz geltend, kann dies nur aufgrund
einer richterlichen Anordnung geschehen.
Artikel 23
Jede direkt betroffene Person hat das Recht, sich mit Anträgen
an die Organe der öffentlichen Gewalt zu wenden, deren
Form und Wirkung vom Gesetz vorgesehen sind.
Kapitel IV. Die politischen Rechte der Andorraner
Artikel 24
Alle volljährigen Andorraner, die voll geschäftsfähig
sind, besitzen das Wahlrecht.
Artikel 25
Alle Andorraner haben, unter den gesetzlich festgelegten Voraussetzungen,
gleichermaßen das Recht auf Zutritt zu politischen Funktionen
und Ämtern.
Die Ausübung von institutionellen Ämtern ist den Andorranern
vorbehalten, unbeschadet der in dieser Verfassung oder in internationalen
Verträgen bestimmten Ausnahmen.
Artikel 26
Den Andorranern wird das Recht auf freie Gründung von politischen
Parteien gewährleistet. Ihre Funktionsweise und Organisation
muß demokratisch sein und ihre Handlungen müssen
mit dem Gesetz übereinstimmen. Die Untersagung ihrer Tätigkeiten
und ihre Auflösung müssen von den Gerichten angeordnet
werden.
Kapitel V. Über die ökonomischen,
sozialen und kulturellen Rechte und Grundsätze
Artikel 27
1. Das Recht auf Privateigentum und das Erbrecht werden gewährleistet,
ohne andere Begrenzungen als diejenigen, die aus der sozialen
Funktion des Eigentums hervorgehen.
2. Niemand darf enteignet werden, wenn dies nicht aufgrund eines
gerechtfertigten öffentlichen Interesses und unter Gewährung
einer gerechten Entschädigung nach dem gesetzlichen Verfahren
geschieht.
Artikel 28
Anerkannt wird die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung
im Rahmen der Marktwirtschaft und in Übereinstimmung mit
den gesetzlichen Vorschriften.
Artikel 29
Jedermann hat das Recht auf Arbeit, auf Besserstellung durch
Arbeit, auf eine Bezahlung, die dem Arbeiter und seiner Familie
ein menschenwürdiges Dasein gewährleisten, sowie auf
eine angemessene Beschränkung der Arbeitsstunden, eine
wöchentliche Ruhepause und auf bezahlten Urlaub.
Artikel 30
Anerkannt wird das Recht auf den Schutz der Gesundheit und auf
den Erhalt von Dienstleistungen, um anderen persönlichen
Bedarfsfällen nachzukommen. Zu diesen Zwecken wird der
Staat ein Sozialversicherungssystem schaffen.
Artikel 31
Es ist Aufgabe des Staates, über den angemessenen Gebrauch
des Bodens und aller natürlichen Ressourcen zu wachen,
um jedermann eine würdige Lebensqualität zu gewährleisten
und für die zukünftigen Generationen ein angemessenes
ökologisches Gleichgewicht in Atmosphäre, Wasser und
Boden wiederherzustellen und zu erhalten sowie die bodenständige
Flora und Fauna zu schützen.
Artikel 32
Der Staat kann in die Ordnung des Wirtschafts-, Handels-, Arbeits-
und Finanzierungssystems eingreifen, um im Rahmen der Marktwirtschaft
die ausgeglichene Entwicklung der Gesellschaft und das allgemeine
Wohl zu fördern.
Artikel 33
Die staatlichen Behörden haben die Bedingungen zu fördern,
um das Recht eines jeden auf würdige Wohnungsverhältnisse
zu verwirklichen.
Artikel 34
Der Staat gewährleistet die Erhaltung, Förderung und
Verbreitung des historischen, kulturellen und künstlerischen
Erbes von Andorra.
Artikel 35
Die Rechte der Verbraucher und Benutzer werden vom Staat gewährleistet
und sind den öffentlichen Behörden zum Schutz anvertraut.
Artikel 36
Der Staat kann Mittel zur sozialen Kommunikation schaffen. In
Übereinstimmung mit den Grundsätzen der demokratischen
Beteiligung und des Pluralismus wird ein Gesetz ihre Organisation
und die Kontrolle durch den Consell General regeln.
Kapitel VI. Über die Pflichten der Andorraner
und der Ausländer
Artikel 37
Alle natürlichen und juristischen Personen tragen nach
ihren wirtschaftlichen Fähigkeiten zu den öffentlichen
Ausgaben bei, mittels eines gerechten Steuersystems, das gesetzlich
festgelegt ist und auf den Grundsätzen der Allgemeinheit
und der ausgewogenen Verteilung von Steuerlasten beruht.
Artikel 38
Der Staat kann durch das Gesetz zivile Dienste zur Erfüllung
von Zwecken des Allgemeininteresses schaffen.
Kapitel VII. Über die Rechts- und Freiheitsgarantien
Artikel 39
1. Die in den Kapiteln III und IV dieses Titels anerkannten
Rechte und Freiheiten verpflichten die öffentlichen Organe
unmittelbar als direkt anwendbares Gesetz. Ihr Inhalt kann nicht
durch Gesetz beschränkt werden und steht unter dem Schutz
der Gerichte.
2. Ausländer mit offiziellem Wohnsitz in Andorra können
die in Kapitel III dieses Titels erwähnten Rechte und Freiheiten
frei ausüben.
3. Die in Kapitel V erwähnten Rechte regeln die Gesetzgebung
und die Tätigkeit der staatlichen Gewalten. Sie können
aber nur unter den Bedingungen geltend gemacht werden, die die
Rechtsordnung bestimmt.
Artikel 40
Die Regelung über die Ausübung der in diesem Titel
anerkannten Rechte kann nur durch Gesetz geschehen. Die in Kapitel
III und IV erwähnten Rechte sind über Lleis Qualificades
zu regeln.
Artikel 41
1. Die in Kapitel III und IV anerkannten Rechte und Freiheiten
können vor den ordentlichen Gerichten mittels eines Eil-
und Vorzugsverfahrens geltend gemacht werden, das gesetzlich
geregelt ist und in jedem Fall in zwei Instanzen spruchreif
wird.
2. Das Gesetz wird ein besonderes Beschwerdeverfahren vor dem
Tribunal Constitucional schaffen, zum Schutz gegen Akte der
öffentlichen Behörden, die den wesentlichen Inhalt
der im vorhergehenden Abschnitt erwähnten Rechte verletzen,
mit Ausnahme des in Artikel 22 erwähnten Falles.
Artikel 42
1. Eine Llei Qualificada wird den Not- und Ausnahmezustand regeln.
Der erstere kann bei Naturkatastrophen vom Govern ausgerufen
werden, und zwar für einen Zeitraum von 15 Tagen und unter
Mitteilung an den Consell General.
Der letztere wird ebenfalls vom Govern erklärt. Er erstreckt
sich über den Zeitraum von 30 Tagen, wenn das normale Funktionieren
des demokratischen Zusammenlebens unterbrochen ist, und benötigt
die vorhergehende Genehmigung des Consell General.
2. Während des Ausnahmezustandes kann die Ausübung
der in den Artikeln 21 und 27 verbrieften Rechte eingeschränkt
werden.
Während des Notzustandes kann die Ausübung der in
den Artikeln 9.2, 12, 15, 16, 19 und 21 erfaßten Rechte
aufgehoben werden. Die Suspendierung der in Artikel 9.2 und
15 enthaltenen Rechte muß immer unter richterlicher Aufsicht
stattfinden unbeschadet des in Artikel 9.3 aufgestellten Schutzverfahrens.
TITEL III
ÜBER DIE COPRÍNCEPS
Artikel 43
1. In Übereinstimmung mit der institutionellen Tradition
Andorras bilden die Coprínceps gemeinsam und untrennbar
das Cap de l'Estat und sind für seine Repräsentation
auf höchster Ebene verantwortlich.
2. Die Coprínceps, eine Institution, die aus den Prinzipien
der Pareatges und deren historischer Evolution hervorgegangen
ist, sind, persönlich und ausschließlich, der Bischof
von Urgell und der Präsident der Französischen Republik.
Sie haben dieselben Rechte, die von der vorliegenden Verfassung
abgeleitet werden. Jeder von ihnen schwört und verpflichtet
sich, seine Aufgaben in Übereinstimmung mit der vorliegenden
Verfassung auszuüben.
Artikel 44
1. Die Coprínceps sind das Symbol und die Garantie für
das Bestehen und die Fortdauer Andorras, sowie seiner Unabhängigkeit
und der Erhaltung des paritätischen Geistes in den traditionsgemäß
ausgeglichenen Beziehungen zu den Nachbarstaaten. Sie bekunden,
in Übereinstimmung mit der Verfassung, das Einverständnis
des andorranischen Staates bei internationalen Verpflichtungen.
2. Die Coprínceps sind Schiedsgericht über das Funktionieren
der öffentlichen Gewalt und der Institutionen. Auf Verlangen
eines jeden von ihnen, des Síndic General oder des Cap
de Govern sind sie regelmäßig über die Angelegenheiten
des Staates zu informieren.
3. Mit Ausnahme der in der vorliegenden Verfassung vorgesehenen
Fälle tragen die Coprínceps keine politische Verantwortung.
Die Haftung für die Handlungen der Coprínceps übernehmen
diejenigen, die diese Handlungen gegenzeichnen.
Artikel 45
Die Coprínceps, mit der Gegenzeichnung des Cap de Govern
oder gegebenenfalls des Síndic General, die die politische
Verantwortung tragen:
a) Berufen allgemeine Wahlen in Übereinstimmung mit der
Verfassung ein.
b) Berufen Volksabstimmungen in Übereinstimmung mit den
Artikeln 76 und 106 der Verfassung ein.
c) Ernennen den Cap de Govern nach dem in Artikel 71 der Verfassung
festgelegten Verfahren.
d) Unterzeichnen das Dekret über die Auflösung des
Consell General nach Artikel 71 der Verfassung.
e) Akkreditieren die diplomatischen Vertreter Andorras im Ausland.
Die ausländischen Vertreter in Andorra werden vor jedem
von ihnen akkreditiert.
f) Ernennen die Träger der anderen Institutionen des Staates
in Übereinstimmung mit der Verfassung und den Gesetzen.
g) Unterzeichnen und verkünden die Gesetze nach Artikel
63 der vorliegenden Verfassung.
h) Erklären, unter den in Kapitel III des Titels IV vorgesehenen
Bedingungen, das Einverständnis des Staates zu Verpflichtungen
in internationalen Verträgen.
i) Übernehmen die weiteren Handlungen, die ihnen die Verfassung
ausdrücklich überträgt.
2. Die in den Abschnitten g) und h) dieses Artikels vorgesehenen
Rechtsakte müssen gleichzeitig jedem der beiden Coprínceps
vorgelegt werden, welche sie ausfertigen und verkünden
bzw. das Einverständnis des Staates erklären. Die
Veröffentlichung ist innerhalb eines Zeitraums von mindestens
acht und höchstens fünfzehn Tagen anzuordnen.
Während dieses Zeitraums können sich die Coprinceps,
einzeln oder gemeinsam, mit einem begründeten Antrag an
das Tribunal Constitucional wenden, daß dieses sich über
die Verfassungsmäßigkeit aussprechen solle. Im Falle
einer positiven Entscheidung genügt die Unterzeichnung
durch wenigstens einen der Coprínceps als Gegenzeichnung.
3. Wenn Umstände zusammentreffen, die einem der Coprínceps
die Wahrnehmung der im ersten Abschnitt des vorliegenden Artikels
erwähnten Aufgaben innerhalb der verfassungsmäßig
vorgesehenen Bedingungen unmöglich machen, muß sein
Vertreter dies dem Síndic General oder gegebenenfalls
dem Cap de Govern mitteilen.
In diesem Fall werden die Vorgänge, Vorschriften oder Entscheidungen
nach Ablauf der bezeichneten Fristen und mit der Unterschrift
des anderen Copríncep und Gegenzeichnung des Cap de Govern
bzw. des Síndic General wirksam.
Artikel 46
1. Die Coprínceps entscheiden frei über:
a) Die gemeinsame Ausübung des Begnadigungsrechts.
b) Die Schaffung und Gestaltung von Verwaltungsstellen, die
sie zur Durchführung ihrer verfassungsmäßigen
Funktionen für notwending halten, die Benennung der Amtsträger
und deren rechtliche Einsetzung.
c) Die Ernennung der Mitglieder des Consell Superior de la Justícia
gemäß Artikel 89.2 der Verfassung.
d) Die Benennung der Mitglieder des Tribunal Constitucional
gemäß Artikel 96.1 der Verfassung.
e) Die Anforderung eines Gutachtens über die Verfassungsmäßigkeit
der Gesetze.
f) Die Anforderung eines Gutachtens über die Verfassungsmäßigkeit
internationaler Verträge vor ihrer Ratifizierung.
g) Das Anstrengen eines Rechtsstreits vor dem Tribunal Constitucional
aus dem Grund, daß ihre verfassungsmäßigen
Funktionen betroffen sind, nach den Artikeln 98 und 103 der
Verfassung.
h) Die Erklärung des Einverständnisses zum Text eines
internationalen Vertrages, in Übereinstimmung mit dem in
Artikel 66 Vorgesehenen, vor der Ratifizierung in parlamentarischer
Sitzung.
2. Die aus den Artikeln 45 und 46 abgeleiteten Handlungen werden
von den Coprínceps persönlich ausgeführt, mit
Ausnahme der in e), f), g) und h) dieses Artikels vorgesehenen
Befugnisse, die durch ausdrückliche Delegierung erfolgen
können.
Artikel 47
Der allgemeine Staatshaushalt des Principat muß beiden
Coprínceps zum Funktionieren ihrer Dienste jeweils den
gleichen Betrag assignieren, von dem sie freien Gebrauch machen
können.
Artikel 48
Jeder Copríncep benennt einen persönlichen Vertreter
in Andorra.
Artikel 49
Bei Abwesenheit einer der beiden Coprínceps erkennt die
vorliegende Verfassung die Gültigkeit der jeweils in ihrer
Geschäftsordnung vorgesehenen Vertretungsmechanismen an,
um die normale Funktionsfähigkeit der andorranischen Institutionen
nicht zu unterbrechen.
TITEL IV
ÜBER DEN CONSELL GENERAL
Artikel 50
Der Consell General, Ausdruck der gemischten und paritätischen
Vertretung der Bevölkerung und der sieben Parròquies,
repräsentiert das andorranische Volk, übt die Gesetzgebung
aus, genehmigt den Staatshaushalt und kontrolliert und regt
die politischen Handlungen des Govern.
Kapitel I. Über die Organisation des Consell
General
Artikel 51
1. Die Consellers werden in allgemeinen, freien, direkten und
geheimen Wahlen für einen Zeitraum von vier Jahren gewählt.
Das Mandat der Gonsellers endet vier Jahre nach ihrer Wahl oder
am Tag der Auflösung des Consell General.
2. Die Wahlen müssen zwischen dreißig und vierzig
Tagen nach der Beendigung des Mandats stattfinden.
3. Wahlberechtigt und wählbar sind alle Andorraner, die
über die vollen politischen Rechte verfügen.
4. Eine Llei Qualificada wird das Wahlverfahren regeln und die
Gründe für die Nichtwählbarkeit und die Inkompatibilität
mit anderen Aufgaben der Consellers festlegen.
Artikel 52
Der Consell General ist zusammengesetzt aus wenigstens achtundzwanzig
und höchstens zweiundvierzig Consellers Generals. Die Hälfte
von ihnen wird anteilsgleich in jeder der sieben Parròquies
gewählt, die andere Hälfte in nationalem Wahlgang.
Artikel 53
1. Alle Mitglieder des Consell General sind in gleicher Weise
Volksvertreter, haben gleiche Rechte und Pflichten und sind
an keinerlei Aufträge gebunden. Ihr Stimmrecht ist persönlich
und nicht übertragbar.
2 Die Consellers haften nicht fur die Stimmabgaben und Meinungsäußerungen,
die sie in ihren Funktionen abgehen.
3. Im Laufe ihres Mandats können die Consellers nicht festgenommen
oder festgehalten werden, es sei denn, sie werden bei einer
Straftat betroffen. In den anderen Fällen ist für
die Entscheidung über ihre Festnahme, für die Eröffnung
eines Verfahrens und für die Anklage gegen sie das Tribunal
de Corts im Plenum zuständig, für das Gerichtsverfahren
das Tribunal Superior.
Artikel 54
Der Consell General erläßt und modifiziert seine
Geschäftsordnung mit absoluter Mehrheit der Kammer, bestimmt
seinen Haushalt und regelt das Statut für das in seinem
Dienst stehende Personal
Artikel 55
1. Die Sindicatura ist das leitende Organ des Consell General.
2. Der Consell General versammelt sich in verfassungsgebender
Sitzung fünf Tage nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses
und wählt in derselben Sitzung den Síndic General,
den Subsíndic General und gegebenenfalls andere Mitglieder,
die verordnungsgemäß der Sindicatura angehören
können.
3. Der Síndic General und der Subsíndic General
können ihr Amt nicht länger als während zweier
vollständiger aufeinanderfolgender Wahlperioden ausüben.
Artikel 56
1. Der Consell General versammelt sich in traditionellen, ordentlichen
und außerordentlichen Sitzungen, die nach der Geschäftsordnung
einberufen werden. Es gibt im Jahr zwei von der Verordnung festgelegte
ordentliche Sitzungsperioden. Die Sitzungen des Consell General
sind öffentlich, mit Ausnahme des Falles, daß der
Consell General mit absoluter Mehrheit seiner Mitglieder das
Gegenteil beschließt.
2. Der Consell General kann seine Funktion im Plenum oder in
Ausschüssen ausüben. Die Geschäftsordnung sieht
die Bildung der Gesetzgebungsausschüsse in der Weise vor,
daß diese die Zusammensetzung der Kammer repräsentieren.
3. Der Consell General benennt eine Comissió Permanent,
die über die Rechte der Kammer wacht, wenn diese aufgelöst
ist oder sich außerhalb der Sitzungsperioden befindet.
Die Comissió Permanent, unter dem Vorsitz des Síndic
General, ist so zusammengesetzt, daß die paritätische
Zusammensetzung der Kammer gewahrt wird.
4. Die Consellers können sich zu grups parlamentaris vereinigen.
Die Geschäftsordnung wird die Rechte und Pflichten der
Consellers und der Grups Parlamentaris regeln, ebenso wie das
Statut der nicht fraktionsgebundenen Consellers.
Artikel 57
1. Zum gültigen Erlaß von Beschlüssen muß
der Consell General mit mindestens der Hälfte der Consellers
zusammentreten.
2. Die Beschlüsse sind gültig, wenn sie von den anwesenden
Consellers mit einfacher Mehrheit gefaßt worden sind,
unter Vorbehalt der von der Verfassung festgelegten speziellen
Mehrheiten
3. Die von der Verfassung vorgesehenen Lleis Qualificades benötigen
zu ihrer Bewilligung das endgültige zustimmende Votum der
absoluten Mehrheit der Mitglieder des Consell General, mit Ausnahme
der Lleis Qualificades über die Wahlen und Volksabstimmungen,
über die Aufgaben der Comuns und deren Übertragung.
Diese benötigen zu ihrer Verabschiedung das endgültige
zustimmende Votum der absoluten Mehrheit der von den Parròquies
gewählten Consellers und der absoluten Mehrheit der auf
nationalem Gebiet gewählten Consellers.
Kapitel II. Über das Gesetzgebungsverfahren
Artikel 58
1. Die Gesetzesinitiative obliegt dem Consell General und dem
Govern
2. Drei Comuns gemeinsam oder ein Zehntel der nationalen Wählerliste
können dem Consell General Gesetzesvorschläge unterbreiten.
3. Die Gesetzentwürfe und -vorlagen sind vom Plenum und
von den Ausschüssen in der von der Verordnung vorgesehenen
Form zu verhandeln.
Artikel 59
Der Consell General kann durch Gesetz dem Govern Gesetzgebungsbefugnisse
übertragen, die aber auf keinen Fall weiterübertragen
werden dürfen.
Das Gesetz über die Übertragung bestimmt die übertragene
Materie sowie die Grundsätze und Richtlinien, an die sich
die entsprechende.
Rechtsverordnung des Govern halten muß, ebenso wie clie
Frist, in der sie zu erlassen ist. Die Ermächtigung regelt
gleichzeitig die Art der parlamentarischen Kontrolle über
den delegierten Bereich.
Artikel 60
1. In Fällen äußerster Eile und Notwendigkeit
kann das Govern dem Consell General einen vorformulierten Text
vorlegen, den dieser innerhalb einer Frist von achtundvierzig
Stunden einstimmig als Gesetz heschließen kann.
2. Gegenstände der Gesetzgebung, die den Lleis Qualificades
vorbehalten sind, können weder Gegenstand von Rechtsverordnungen
noch des im Abschnitt 1 dieses Artikels vorgesehenen Verfahrens
sein.
Artikel 61
1. Die Initiative über den Entwurf des allgemeinen Staatshaushalts
steht ausschließlich dem Govern zu, das ihn zur parlamentarischen
Genehmigung mindestens zwei Monate vor Ablauf der vorhergehenden
Staatshaushalte vorlegen muß.
2. Der Gesetzentwurf über den allgemeinen Staatshaushalt
hat in Bezug auf seine Erledigung Vorrang gegenüber anderen
Angelegenheiten und wird nach einem eigenen Verfahren behandelt,
das in der Geschäftsordnung geregelt ist.
3. Wenn das Gesetz über den allgemeinen Staatshaushalt
nicht vor dem ersten Tag des Haushaltsjahres genehmigt worden
ist, gilt der Staatshaushalt der vorhergehenden Haushaltsperiode
automatisch als solange verlängert, bis der neue genehmigt
wird.
4. Das Gesetz über den allgemeinen Staatshaushalt darf
keine Steuern einführen.
5. Der Finanzausschuß des Consell General überprüft
jährlich die ordnungsgemäße Durchführung
des Haushaltsplans.
Artikel 62
1. Die Consellers und die parlamentarischen Gruppen können
die Gesetzentwürfe und -vorschläge abändern.
2. Das Govern kann beantragen, daß diejenigen Abänderungen
nicht debattiert werden, die zu einer Erhöhung der Ausgaben
oder Verminderung der Einnahmen im Vergleich zu den im allgemeinen
Staatshaushalt vorgesehenen Beträgen führen. Der Consell
General kann diesen Antrag mit absoluter Mehrheit der Kammer
in einer begründeten Entscheidung ablehnen.
Artikel 63
Nach der Verabschiedung eines Gesetzes durch den Consell General
stellt der Síndic General es den Coprínceps zu,
die es während der folgenden acht und fünfzehn Tage
ausfertigen, bekanntgeben und seine Veröffentlichung im
Butlletí Oficial del Principat d'Andorra veranlassen.
Kapitel III. Über die internationalen Verträge
Artikel 64
1. Folgende internationale Verträge müssen vom Consell
General mit absoluter Mehrheit der Kammer ratifiziert werden:
a) Verträge, die den Staat an eine internationale
Organisation binden.
b) Verträge, die sich auf die innere Sicherheit und auf
die Verteidigung beziehen.
c) Verträge, die sich auf das Staatsgebiet von Andorra
beziehen.
d) Verträge, die Einfluß auf die in Titel II geregelten
Grundrechte haben.
e) Verträge, die zu neuen Verpflichtungen für das
öffentliche Finanzwesen führen.
f) Verträge, die Verfügungen gesetzgeberischer Art
treffen oder ändern, oder die zur ihrer Durchführung
gesetzgeberische Maßnahmen erfordern.
g) Verträge, die die diplomatische Vertretung oder konsularische
Funktionen, die Rechtshilfe oder die Zusammenarbeit bei der
Strafverfolgung betreffen.
2. Das Govern informiert den Consell General und die Coprínceps
über die übrigen internationalen Verträge.
3. Für die Aufhebung internationaler Verträge, die
die im Epigraph 1 aufgezählten Materien betreffen, ist
ebenfalls die Zustimmung der absoluten Mehrheit der Kammer notwendig.
Artikel 65
Im Interesse des andorranischen Volkes, des Fortschritts oder
des internationalen Friedens können gesetzgeberische, verwaltungsmäßige
oder gerichtliche Kompetenzen abgetreten werden, unter der Bedingung,
daß diese von internationalen Organisationen übernommen
werden, und zwar mittels eines Vertrages, der von zwei Dritteln
der Mitglieder des Consell General ratifiziert werden muß.
Artikel 66
1. Die Coprínceps nehmen an der Verhandlung über
diejenigen Verträge teil, welche die Beziehungen zu den
Nachbarstaaten beeinflussen, wenn sie die in b), c) und g) des
Artikels 64.1 aufgezählten Materien betreffen.
2. Bei der Verhandlung über die im vorhergehenden Artikel
bezeichneten Verträge muß die andorranische Vertretung
neben den vom Govern ernannten Mitgliedern über je ein
Mitglied verfügen, das von jeweils einem der beiden Coprínceps
ernannt worden ist.
3. Zur Annahme des Vertragstextes ist das Einverständnis
der vom Govern ernannten Mitglieder sowie jedes der beiden von
den Coprínceps ernannten Mitglieder notwendig.
Artikel 67
Die Coprínceps werden von allen anderen Vertragsvorschlägen
und internationalen Übereinstimmungen informiert und können,
auf Antrag des Govern und mit parlamentarischer Genehmigung,
zu der Verhandlung hinzugezogen werden, wenn das nationale Interesse
Andorras dies erfordert.
Kapitel IV. Über die Beziehungen des Consell
General zum Govern
Artikel 68
1. In der ersten Sitzung nach jeder Neuwahl des Consell General,
die in einem Zeitraum von acht Tagen nach der konstituierenden
Sitzung einberufen werden muß, findet die Wahl des Cap
de Govern statt.
2. Die Kandidaten müssen von einem Fünftel der Mitglieder
des Consell General vorgeschlagen werden. Jeder Conseller kann
nicht mehr als einen Kandidaten vorschlagen.
3. Die Kandidaten müssen ihr Programm vorstellen und es
gilt derjenige als gewählt, der nach einer Debatte in einer
ersten öffentlichen und mündlichen Abstimmung die
absolute Mehrheit der Stimmen des Consell General erreicht.
4. Sollte eine zweite Abstimmung notwendig sein, können
sich nur die beiden Kandidaten bewerben, die in der ersten Abstimmung
die meisten Stimmen erzielt haben. Es wird derjenige zum Cap
de Govern ernannt, der mehr Stimmen erhält.
5. Der Síndic General gibt den Coprínceps das
Ergebnis der Abstimmung bekannt, damit diese den gewählten
Kandidaten zum Cap de Govern ernennen, und zeichnet die Ernennung
gegen.
6. Dasselbe Verfahren gilt in allen anderen Fällen in denen
das Amt des Cap de Govern zu besetzen ist.
Artikel 69
1. Das Govern trägt gegenüber dem Consell General
gemeinschaftlich die politische Verantwortung.
2. Ein Fünftel der Consellers kann mittels eines begründeten
Schreibens einen Mißtrauensantrag gegen den Cap de Govern
stellen.
3. Nach Abschluß einer Debatte, die in der von der Geschäftsordnung
festgelegten Form innerhalb von drei bis fünf Tagen nach
dem Mißtrauensantrag stattfindet, schließt sich
eine öffentliche und mündliche Abstimmung an. Für
die Annahme des Mißtrauensantrags sind die Stimmen der
absoluten Mehrheit des Consell General notwendig.
4. Wenn der Mißtrauensantrag angenommen wird, tritt der
Cap de Govern zurück. Im Anschluß wird sofort nach
dem Verfahren vorgegangen, das der vorhergehende Artikel vorsieht.
5. Bevor sechs Monate nach der letzten Wahl des Cap de Govern
vergangen sind, kann kein Mißtrauensantrag gestellt werden.
6. Die Consellers, die den Mißtrauensantrag eingebracht
haben, dürfen vor Ablauf eines Jahres keinen weiteren Mißtrauensantrag
unterzeichnen.
Artikel 70
1. Der Cap de Govern kann vor dem Consell General über
sein Regierungsprogramm, über eine Erklärung in Bezug
auf die Allgemeinpolitik oder über eine Entscheidung von
besonderer Tragweite die Vertrauensfrage stellen.
2. Das Vertrauen gilt als ausgesprochen, wenn der Antrag in
öffentlicher und mündlicher Abstimmung die einfache
Mehrheit erhält. Sollte der Cap de Govern diese Mehrheit
nicht erhalten, so muß er zurücktreten.
Artikel 71
1. Der Cap de Govern kann, nach Beratung mit dem Govem und auf
seine eigene Verantwortung, die Coprínceps um die vorzeitige
Auflösung des Consell General ersuchen. Das Dekret über
die Auflösung muß gleichzeitig die Einberufung von
Neuwahlen in Übereinstimmung mit Artikel 51.2 der Verfassung
bestimmen.
2. Die Auflosung kann nicht stattfinden, solange ein Mißtrauensantrag
anhängig ist oder wenn der Ausnahmezustand erklärt
worden ist.
3. Vor Ablauf eines Jahres nach den letzten Wahlen kann keine
Auflösung stattfinden.
TITEL V
ÜBER DAS GOVERN
Artikel 72
1. Das Govern setzt sich zusammen aus dem Cap de Govern und
den Ministern in der gesetzlich bestimmten Anzahl.
2. Es gestaltet unter der Leitung seines Oberhauptes die nationale
und internationale Politik von Andorra. Es leitet auch die staatliche
Verwaltung und ist für den Erlaß von Verordnungen
zuständig.
3. Die öffentliche Verwaltung dient dem allgemeinen Interesse
mit Objektivität und handelt nach den Prinzipien der Hierarchie,
der Effizienz und der Transparenz sowie unter absolutem Gehorsam
gegen die Verfassung, die Gesetze und die allgemeinen Grundsätze
der Rechtsordnung, die in Titel I bestimmt sind. Alle ihre Handlungen
unterliegen der gerichtlichen Kontrolle.
Artikel 73
Der Cap de Govern wird von den Coprínceps ernannt, nachdem
er nach dem von der Verfassung vorgesehenen Verfahren gewählt
worden ist.
Artikel 74
Der Cap de Govern und die Minister sind in gleicher Weise rechtlich
verantwortlich, wie die Consellers Generals.
Artikel 75
Der Cap de Govern, oder gegebenenfalls der verantwortliche Minister,
zeichnet die in Artikel 45 vorgesehenen Handlungen der Coprínceps
gegen.
Artikel 76
Der Cap de Govern kann, mit Zustimmung der Mehrheit des Consell
General, von den Coprínceps die Einberufung einer Volksabstimmung
über Fragen politischen Charakters erbitten.
Artikel 77
Das Govern beendet sein Mandat bei Abschluß der Legislaturperiode,
bei Rücktritt, Tod oder unbehebbarer Geschäftsunfähigkeit
des Cap de Govern, durch einen Mißtrauensantrag oder wenn
eine Vertrauensfrage keine Mehrheit findet. In all diesen Fällen
bleibt das Govern solange im Amt, bis ein neues gebildet ist.
Artikel 78
1. Der Cap de Govern kann sein Amt nicht länger als zwei
aufeinanderfolgende Legislaturperioden ausüben.
2. Die Mitglieder des Govern können ihr Amt nicht mit dem
des Conseller General verbinden und konnen lediglich diejenigen
öffentlichen Funktionen ausüben, die sich von ihrer
Zugehörigkeit zum Govern ableiten lassen.
TITEL VI
ÜBER DIE GLIEDERUNG DES STAATSGEBIETES
Artikel 79
1. Die Comuns, als Vertretungs- und Verwaltungsorgane der Parròquies,
sind öffentliche Körperschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit
und lokaler normativer Befugnis zum Erlaß von Ordinacions,
Vorschriften und Verfügungen im Rahmen der Gesetze. Innerhalb
ihrer Befugnisse, die in Übereinstimmung mit der Verfassung,
dem Gesetz und der Tradition ausgeübt werden, funktionieren
sie unter dem Prinzip der verfassungsmäßig anerkannten
und gewährleisteten Selbstverwaltung.
2. Die Comuns vertreten die Interessen der Parròquies,
genehmigen und fhüren den Gemeindehaushaltaus, bestimmen
und erledigen öffentliche politische Maßnahmen in
ihrem Territorialbereich und betreiben und verwalten alle im
Besitz der Parròquia befindlichen Güter, gleichgültig
ob es sich bei diesen um öffentliches Gemeindeeigentum,
Privateigentum oder sonstige Vermögensrechte handelt.
3. Ihre Verwaltungsorgane werden demokratisch gewählt.
Artikel 80
1. Im Rahmen der verwaltungsrechtlichen und wirtschaftlichen
Autonomie der Comuns werden ihre Befugnisse durch Llei Qualificada
begrenzt, und zwar mindestens in den folgenden Materien:
a) Einwohnerverzeichnis.
b) Wählerliste. Beteiligung an der Durchführung des
Wahlverfahrens und der Wahlaufsicht, die ihnen nach dem Gesetz
zusteht.
c) Bürgerbefragungen.
d) Handel, Industrie und berufliche Betätigungen.
e) Grenzen des Gemeindegebiets.
f) Eigene und im öffentlichen Besitz der Gemeinde befindliche
Güter.
g) Natürliche Ressourcen
h) Kataster
i) Städteplanung
j) Öffentliche Verkehrswege
k) Kultur, Sport und soziale Unternehmungen
l) Öffentliche Dienste
2. Im Rahmen der Besteverungsbefugnis des Staates bestimmt die
erwähnte Llei Qualificada die wirtschaftlichen und steuerlichen
Befugnisse der Comuns zur Ausübung ihrer Zuständigkeiten.
Diese Befugnisse beziehen sich jedenfalls auf die Nutzung und
Ausbeutung der natürlichen Quellen, auf die traditionellen
Abgaben und auf die Gebühren für gemeindliche Dienstleistungen,
verwaltungsrechtliche Genehmigungen, Besteuerung von Handels-
Industrie- und Berufstätigkeit sowie Immobilienbesitz.
3. Mittels eines Gesetzes können den Parròquies
staatliche Befugnisse übertragen werden.
Artikel 81
Mit dem Ziel, die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit der
Comuns zu gewährleisten, bestimmt eine Llei Qualificada
die Ausgleichszahlungen des allgemeinen Staatshaushalts an die
Comuns, wobei zunächst für alle Parròquies
ein gleicher Anteil gewährt wird, neben einem variablen
Anteil, der proportional von der Bevölkerungsanzahl, der
territorialen Ausdehnung und anderen Umständen abhängt.
Artikel 82
1. Verfahren über die Auslegung oder Ausübung der
Befugnisse zwischen allgemeinen staatlichen Organen und den
Comuns werden vom Tribunal Constitucional gelöst.
2. Die Handlungen der Comuns sind anhand der gesetzlich bestimmten
Mittel sofort vollstreckbar. Gegen sie können verwaltungsrechtliche
und gerichtliche Rechtsmittel eingelegt werden, um ihre Vereinbarkeit
mit der Rechtsordnung zu überprüfen.
Artikel 83
Die Comuns besitzen das Recht zur Gesetzesinitiative und sind
berechtigt, innerhalb der von der Verfassung festgelegten Bedingungen
Normenkontrollklagen einzureichen.
Artikel 84
Die Gesetze werden bei der Regelung der Befugnisse der Quarts
und der Veïnats sowie deren Beziehungen zu den Comuns die
Sitten und Gebräuche beachten.
TITEL VII
ÜBER DIE RECHTSPFLEGE
Artikel 85
1. Die Rechtsprechung wird im Namen des andorranischen Volkes
ausschließlich von unabhängigen, unabsetzbaren und
in ihren Rechtsprechungsfunktionen lediglich der Verfassung
und dem Gesetz unterworfenen Richtern ausgeübt.
2. Es gibt nur eine Gerichtsverfassung. Ihre Struktur, Zusammensetzung,
Funktionsweise und das Rechtsstatut ihrer Mitglieder müssen
durch Llei Qualificada geregelt werden. Sondergerichte sind
verboten.
Artikel 86
1. Die Regelung der Zuständigkeit und des auf die Justizverwaltung
anwendbaren Verfahrens ist dem Gesetz vorbehalten.
2. Die Urteile werden in allen Fällen begründet, sind
auf die Rechtsordnung bezogen und werden öffentlich zugestellt.
3. Der Strafprozeß ist öffentlich, außer den
vom Gesetz vorgesehenen Ausnahmen. Sein Verfahren ist in aller
Regel mündlich. Der die erste Instanz beendende Urteilsspruch
ist von einem anderen gerichtlichen Organ auszusprechen als
demjenigen, das die Untersuchung geleitet hat. Immer können
dagegen Rechtsmittel eingelegt werden.
4. Die Vertretung der Interessen der Allgemeinheit kann in Fällen,
die durch die Prozeßordnungen geregelt sind, mittels einer
Popularklage geschehen.
Artikel 87
Die Rechtspflege wird in Übereinstimmung mit dem Gesetz
von den Batlles dem Tribunal de Batlles, dem Tribunal de Corts
und dem Tribunal Superior de la Justícia d'Andorra, sowie
von den Präsidenten dieser Gerichte ausgeübt.
Artikel 88
Die Urteile gelten, sobald sie rechtskräftig sind, als
abgeurteilte Verfahren und können nicht mehr abgeändert
oder aufgehoben werden, mit Ausnahme der vom Gesetz vorgesehenen
Fälle oder wenn ausnahmsweise das Tribunal Constitucional
aufgrund einer entsprechenden Verfassungsbeschwerde zur Ansicht
kommt, daß die Urteilssprüche unter Verletzung eines
Grundrechtes zustandegekommen sind.
Artikel 89
1. Der Consell Superior de la Justícia wacht als Repräsentations-,
Leitungsund Verwaltungsorgan der gerichtlichen Organisation
über die Unabhängigkeit und einwandfreie Funktionsweise
der Justiz. Alle seine Mitglieder müssen andorranische
Staatsbürger sein.
2. Der Consell Superior de la Justícia besteht aus fünf
Mitgliedern, die Andorraner und mehr als fünfundzwanzig
Jahre alt sind, und denen das Wesen der Justizverwaltung bekannt
ist, und zwar aus einem Mitglied für jeden Copríncep,
einem für den Síndic General, einem für den
Cap de Govern und einem für die Magistrats und Batlles.
Der Präsident des Consell Superior de la Justícia
wird vom Síndic General ernannt.
3. Der Consell Superior de la Justícia beruft die Batlles
und Magistrats, übt die Dienstaufsicht über sie aus
und sorgt dafür, daß die Justizverwaltung über
die geeigneten Mittel zu ihrer reibungslosen Funktionsfähigkeit
verfügt. Zum letztgenannten Zweck kann er Berichte vorlegen,
um den Erlaß der Gesetze zu heschleunigen, die das Rechtswesen
betreffen, oder um eine Mitteilung zu erhalten, in welchem Stadium
sich die Gesetzgebung befindet.
4. Eine Llei Qualificada über die Rechtspflege regelt die
Aufgaben und Zuständigkeiten dieses Consell Superior.
Artikel 90
1. Alle Richter werden, unabhängig von ihrem Rang, für
ein verlängerbares Mandat von sechs Jahren ernannt. Die
Auswahl findet unter Personen mit juristischer Ausbildung statt,
die die Fähigkeit zur Ausübung des Richteramtes haben.
2. Die Präsidenten des Tribunal de Batlles, des Tribunal
de Corts und des Tribunal Superior de la Justícia werden
vom Consell Superior bestimmt. Die Dauer ihres Mandats und die
Bedingungen für ihre Wählbarkeit werden in der in
Artikel 89.4 der Verfassung erwähnten Llei Qualificada
festgelegt.
Artikel 91
1. Das Richteramt ist unvereinbar mit jedem anderen öffentlichen
Amt sowie mit der Ausübung einer Handels-, Industrie- oder
sonstigen Berufstätigkeit. Die Richter erhalten ihre Honorare
ausschließlich aus dem Staatshaushalt.
2. Während seines Mandats darf ein Richter weder verwalnt
noch versetzt, von seinen Funktionen abgesetzt oder seines Amtes
enthoben werden, außer wenn dies aufgrund einer Sanktionierung
geschieht, weil er sich eines Verstoßes gegen seine strafrechtliche
oder disziplinäre Verantwortlichkeit schuldig gemacht hat,
und zwar nur in einem durch Llei Qualificada geregelten Verfahren
und mit allen Rechten auf Anhörung und Verteidigung. Dieselbe
Llei Qualificada regelt auch die Bedingungen der zivilrechtlichen
Verantwortlichkeit des Richters.
Artikel 92
Der Staat entschädigt, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen
und unter Vorbehalt der persönlichen Verantwortlichkeit
des Schadensverursachers, die durch Justizirrtum oder durch
das unrichtige Funktionieren der Justizverwaltung verursachten
Schäden.
Artikel 93
1. Die Staatsanwaltschaft hat die Aufgabe, über die Verteidigung
und Anwendung der Rechtsordnung und über die Unabhängigkeit
der Gerichte zu wachen, sowie vor diesen für die Anwendung
der Gesetze zur Wahrung der bürgerlichen Rechte und zur
Wahrnehmung des Allgemeininteresses zu sorgen.
2. Die Staatsanwaltschaft besteht aus Mitgliedern, die auf Vorschlag
des Govern vom Consell Superior de la Justícia ernannt
worden sind, und die die Voraussetzungen für das Richteramt
erfüllen. Ihr Amt dauert sechs Jahre und kann erneuert
werden. Ihr Rechtsstatut wird durch Gesetz geregelt.
3. Die Staatsanwaltschaft, unter Leitung des Generalstaatsanwaltes,
handelt in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der
Gesetzmäßigkeit und der inneren Einheit und Hierarchie.
Artikel 94
Die Richter und die Staatsanwaltschaft leiten die Tätigkeit
der Polizei im Rahmen der Rechtspflege nach den Bestimmungen
der Gesetze.
TITEL VIII
ÜBER DAS VERFASSUNGSGERICHT
Artikel 95
1. Dem Tribunal Constitucional obliegt die Auslegung der Verfassung
als höchster Autorität. Es handelt als Organ der Rechtsprechung
und seine Urteile sind bindend für die öffentliche
Gewalt und für die Privatpersonen.
2. Das Tribunal Constitucional erläßt seine eigene
Geschäftsordnung und übt seine Aufgabe nur in Abhängigkeit
von der Verfassung und der Llei Qualificada über seine
eigene Institution aus.
Artikel 96
1. Das Tribunal Constitucional besteht aus vier verfassungsmäßigen
Magistrats, zu denen nur Personen ernannt werden, die über
anerkannte juristische und institutionelle Erfahrung verfügen,
und zwar eine für jeden der beiden Coprínceps und
zwei für den Consell General. Ihr Mandat hat eine Dauer
von acht Jahren und kann nicht während aufeinanderfolgender
Perioden erneuert werden. Die Neubesetzung des Tribunal Constitucional
geht stufenweise vor sich.
Eine Regelung über Inkompatibilität wird in der Llei
Qualificada getroffen, auf die sich der vorhergehende Artikel
bezieht.
2. Den Vorsitz übernimmt alle zwei Jahre der Magistrat,
dem die Präsidentschaft nach dem rotierenden System turnusmäßig
zusteht.
Artikel 97
1. Das Tribunal Constitucional trifft seine Entscheidungen durch
Stimmenmehrheit. Beratungen und Stimmabgabe sind geheim. Der
Berichterstatter wird immer durch Auslosung ernannt und verfügt
über die entscheidende Stimme im Falle von Stimmengleichheit.
2. Die Urteile, die ganz oder teilweise dem Antrag stattgeben,
müssen nach der Regelung, die die Llei Qualificada vorschreibt,
den Rahmen und das Ausmaß ihrer Rechtswirkung bestimmen.
Artikel 98
Das Tribunal Constitucional erkennt:
a) In Verfahren der Normenkontrolle von Gesetzen,
gesetzgebenden Erlassen und der Geschäftsordnung des Consell
General.
b) Über Anträge zur Erstellung von Gutachten über
die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und internationalen
Verträgen vor ihrer Annahme.
c) Verfassungsbeschwerden
d) Zuständigkeitskonflikte zwischen den Verfassungsorganen.
Hierbei werden als Verfassungsorgane angesehen: Die Coprínceps,
der Consell General, das Govern, der Consell Superior de la
Justícia und die Comuns.
Artikel 99
1. Normenkontrollklagen gegen Gesetze oder gesetzgebende Erlasse
können von einem Fünftel der Mitglieder des Consell
General, dem Cap de Govern und von drei Comuns erhoben werden.
Ein Fünftel der Mitglieder des Consell General kann eine
Normenkontrollklage gegen die Geschäftsordnung der Kammer
einlegen. Die Frist für die Einlegung der Klage beträgt
dreißig Tage nach der Veröffentlichung der Norm.
2. Die Erhebung der Klage hebt die Gültigkeit der angefochtenen
Norm nicht auf. Das Gericht muß innerhalb einer Frist
von höchstens zwei Monaten ein Urteil fällen.
Artikel 100
1. Hat ein Gericht in einem Prozeß begründete und
vernünftige Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
eines Gesetzes oder eines gesetzgebenden Erlasses, auf dessen
Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, legt es dem
Tribunal Constitucional ein Schriftstück vor, in dem es
um die Beurteilung der Gültigkeit der betreffenden Norm
bittet.
2. Das Tribunal Constitucional kann die Bearbeitung des Schriftstückes
ablehnen, ohne daß in diesem Fall die Möglichkeit
eines Rechtsmittels besteht. Wird das Schreiben zur Entscheidung
angenommen, so muß das Urteil in einem Zeitraum von höchstens
zwei Monaten gefällt werden.
Artikel 101
1. Die Coprínceps unter den Bedingungen des Artikels
46.1.f), der Cap de Govern oder ein Fünftel der Mitglieder
des Consell General können vor der Ratifizierung von internationalen
Verträgen ein Gutachten über deren Verfassungsmäßigkeit
fordern. Dieses Verfahren ist vorrangig.
2. Die Bejahung der Verfassungswidrigkeit hindert die Ratifizierung
des Vertrags. In jedem Fall bedarf der Abschluß eines
internationalen Vertrags, der verfassungswidrige Klauseln enthält,
einer vorherigen Änderung der Verfassung.
Artikel 102
Gegen die Handlungen der Organe der öffentlichen Gewalt,
die die Grundrechte verletzen, ist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde
berechtigt:
a) Wer Partei oder Streitheller des vorherigen gerichtlichen
Verfahrens war, auf das sich der Artikel 41.2 dieser Verfassung
bezieht.
b) Wer ein legitimes Interesse an Vorschriften oder anderen
Akten des Consell General hat, die keine Gesetzeskraft besitzen.
c) Die Staatsanwaltschaft, bei der Verletzung des Grundrechtes
auf gerichtlichen Schutz.
Artikel 103
1. Das Verfahren zwischen verfassungsmäßigen Organen
findet statt, wenn eines von ihnen die rechtswidrige Ausführung
von Befugnissen seitens des anderen geltend macht, die nach
der Verfassung ihm selbst zustehen.
2. Das Tribunal Constitucional kann in einer einstweiligen Anordnung
die Wirkungen der angefochtenen Normen oder Rechtsakte aufheben
und gegebenenfalls die Beendigung der Handlungen anordnen, die
den Konflikt veranlaßt haben.
3. Das Urteil nennt die umstrittene Befugnis und ordnet sie
einer der beteiligten Parteien zu.
4. Der Beginn eines Organstreitverfahrens unterbindet die Vorlage
derselben Frage bei der Justizverwaltung.
5. Das Gesetz regelt die Fälle, in denen das Verfahren
sich auf die Nichtwahrnehmung von Befugnissen der erwähnten
Organe bezieht.
Artikel 104
Eine Llei Qualificada regelt das Rechtsstatut der Mitglieder
des Tribunal Constitucional, die Prozesse vor dem Tribunal Constitucional
und die Funktionsweise der Institution.
TITEL IX
ÜBER DIE ÄNDERUNG DER VERFASSUNG
Artikel 105
Die Initiative zu einer Reform der Verfassung steht beiden Coprínceps
zusammen oder einem Drittel der Mitglieder des Consell General
zu.
Artikel 106
Die Verfassungsreform benötigt einen Beschluß des
Consell General, der mit der Mehrheit von zwei Dritteln der
Kammermitglieder gefaßt wird. Unmittelbar anschließend
wird der Vorschlag zur Ratifizierung einer Volksabstimmung vorgelegt.
Artikel 107
Nach Beendigung des in Artikel 106 beschriebenen Vorgangs, fertigen
die Coprínceps den neuen Text der Verfassung aus. Dieser
erlangt rechtliche Gültigkeit mit der Verkündung.
ERSTE ZUSATZBESTIMMUNG
Die Verfassung erteilt dem Consell General und dem Govern den
Auftrag, gemeinsam mit den Coprínceps den Regierungen
Spaniens und Frankreichs Verhandlungen vorzuschlagen, welche
die Unterzeichnung eines internationalen trilateralen Vertrages
zum Ziel haben. Dieser soll den Rahmen für die Beziehungen
mit den beiden Nachbarstaaten auf der Basis des Respekts vor
der Souveränität, der Unabhängigkeit und der
territorialen Integrität Andorras bilden.
ZWEITE ZUSATZBESTIMMUNG
Die Ausübung der diplomatischen Vertretung eines Staates
in Andorra ist unvereinbar mit der Ausübung jedes anderen
öffentlichen Amtes.
ERSTE ÜBERGANGSBESTIMMUNG
1. Derselbe Consell General, der die vorliegende Verfassung
beschlossen hat, eröffnet eine außerordentliche Sitzungsperiode,
um mindestens auch die Geschäftsordnung des Consell General
und die Lleis Qualificades über das Wahlverfahren, die
Befugnisse und die Finanzierung der Comuns, die Gerichtsverfassung
und das Tribunal Constitucional zu beschließen. Diese
Sitzungsperiode endet am 31. Dezember 1993.
2. Während dieser Periode, die am ersten Werktag nach der
Veröffentlichung der Verfassung beginnt, kann der Consell
General nicht aufgelöst werden und übt alle Befugnisse
aus, die ihm verfassungsgemäß zustehen.
3. Am 8. September 1993, Feiertag der Mare de Deu de Meritxell,
wird der Síndic General allgemeine Wahlen ausrufen, die
innerhalb der ersten fünfzehn Tage des Monats Dezember
des gleichen Jahres durchgeführt werden.
4. Die Beendigung dieser Sitzungsperiode beinhaltet die Auflösung
des Consell General und den Rücktritt des Govern, das in
Übereinstimmung mit der Verfassung bis zur Bildung eines
neuen Govern im Amt bleibt.
ZWEITE ÜBERGANGSBESTIMMUNG
1. Die Llei Qualificada über die Rechtspflege sieht die
gleichmäßige Ernennung von Richtern und Staatsanwälten
aus den Nachbarstaaten vor, solange in diesem Punkt nicht anders
verfahren werden kann. Dieses Gesetz, wie auch das Gesetz über
das Tribunal Constitucional, regelt die Ordnung der Nationalität
für Richter und Magistrats, die nicht die andorranische
Staatsangehörigkeit besitzen.
2. Die Llei Qualificada über die Rechtspflege regelt ebenso
die Übergangszeit in Bezug auf das Verbleiben derjenigen
Richter im Amt, die zur Zeit der Bekanntgabe dieser Verfassung
nicht den vorgesehenen akademischen Titel besitzen.
3. Die erwähnte Llei Qualificada über die Rechtspflege
sieht Anpassungssysteme vor für diejenigen Prozesse und
Verfahren, die nach dem in dieser Verfassung vorgesehenen gerichtlichen
und prozessualen System anhängig geworden sind, damit das
Recht auf Rechtsschutz gewährleistet ist.
4. Die Gesetze und Normen mit Gesetzeskraft, die zur Zeit der
Schaffung des Trihunal Constitucional in Kraft sind, können
in einer Frist von drei Monaten nach Amtsübernahme der
Magistrats zum Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens gemacht
werden. Legitimiert zur Anstrengung des Verfahrens sind die
im Artikel 99 der Verfassung vorgesehenen Personen.
5. Während der ersten Legislaturperiode nach Inkrafttreten
der Verfassung können die Repräsentanten der Coprínceps
im Consell General de la Justícia nichtandorranischer
Nationalität sein.
DRITTE ÜBERGANGSBESTIMMUNG
1. Die institutionellen Behörden der Coprínceps,
deren Befugnisse und Funktionen von dieser Verfassung anderen
Staatsorganen aufgetragen worden sind, werden auf die erwähnten
Organe übertragen. Zu diesem Zweck wird ein Arbeitsausschuß
gebildet, bestehend aus einem Vertreter für jeden Copríncep,
zwei für den Consell General und zwei für das Govern.
Der Ausschuß erstellt einen Bericht und legt ihn dem Consell
General vor, damit in dem Zeitraum, der in der ersten Übergangsbestimmung
erwähnt ist, die notwendigen Verfügungen getroffen
werden können, um die entsprechenden Änderungen bewerkstelligen
zu können.
2. Derselbe Ausschuß trifft die notwendigen Anordnungen,
um die Dienste der Polizei innerhalb einer Frist von 2 Monaten
nach Inkrafttreten dieser Verfassung unter die ausschließliche
Aufsicht des Govern zu stellen.
AUSSERKRAFTTRETEN ENTGEGENSTEHENDER VORSCHRIFTEN
Mit Inkrafttreten dieser Verfassung werden alle früheren
Normen außer Kraft gesetzt, soweit ihr Inhalt dieser Verfassung
widerspricht.
SCHLUSSBESTIMMUNG
Die Verfassung tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Butlletí
Oficial del Principat d'Andorra in Kraft.
Nach der Annahme durch den Consell in feierlicher Sitzung am
2. Februar 1993 und nach der Genehmigung durch das Volk von
Andorra durch eine am 14. März 1993 abgehaltene Volksabstimmung
machen wir, die Coprínceps, uns diese Verfassung zu eigen,
ratifizieren und fertigen sie aus, verkünden sie und ordnen
ihre Veröffentlichung zum Zweck der allgemeinen Kenntnisnahme
an.
Casa de la Vall, 28. April 1993
François Mitterrand
Präsident der Französtschen Republik
Copríncep von Andorra
Jordi Farràs Forné
Sindic General
Joan Martí Alanís
Bischof von Urgell
Copríncep von Andorra
ERLÄUTERUNGEN DER ÜBERSETZER
Pareatges: sind zwei Schiedsurteile des XIII.
Jahrhunderts zur Lösung des Rechtsstreites zwischen dem
Grafen von Foix und dem Bischof von Urgell in Bezug auf ihre
feudalen Machthefugnisse über Andorra.
Principat d'Andorra: Fürstentum von Andorra.
Coprincipat: ist ein gemeinschaftlich auf der
Basis der Parität geführtes Fürstentum.
Parròquies: ist der traditionelle Name
der Bezirke, aus denen Andorra besteht.
Butlletí Oficial del Principat d'Andorra:
offizieller Saatsanzeiger des Fürstentums Andorra.
Llei Qualificada: Qualifiziertes Gesetz.
Consell General: ist ein Parlament mit Einkammersystem
und gemischter Zusammensetzung (Proportionale nationale Vertretung
und Vertretung der Parròquies).
Tribunal Constitucional: Verfassungsgericht.
Govern: Regiemng.
COPRÍNCEPS: nehmen gemeinsam das Amt
des Staatsoberhauptes ein. Ihr Amt ist unteilbar und ihre Befugnisse
haben gemeinsamen und individuellen Charakter.
Cap de l'Estat: Staatsoberhaupt.
Síndic General: ist der Präsident
des Consell General und der Sindicatura (leitendes Organ des
Consell General).
Cap de Govern: Regierungspräsident
Consell Superior de la Justícia: Das
oberste Organ der Repräsentation, Leitung und Verwaltung
der Rechtsorganisation.
Consellers: Mitglieder des Consell General.
Tribunal de Corts: Kollegialgericht mit ausschließlich
strafrechtlichen Befugnissen.
Tribunal Superior: Oberes Gericht der Justizverwaltung.
La Sindicatura: Leitendes Organ des Consell
General.
Subsíndic General: Der stellvertretende
Präsident des Consell General und der Sindicatura.
Comissió Permanent: Ständiger Ausschuß.
grups parlamentaris: Parlamentarische Gruppen.
Comuns: Selbstandige Regierungs-, Vertretungs-
und Verwaltungsorgane der Parròquies.
ordinacions: Regelungen.
Quarts und Veïnats: Interbezirke einiger
Parròquies.
Batlles: Richter erster Instanz.
Tribunal de Batlles: Rechtsprechungsorgan mit
kollegialem Charakter, das die allgemeine Basis der Rechtsprechungsorganisation
Andorras darstellt.
Tribunal Superior de la Justícia d'Andorra:
Höchster Gerichtshof der Rechtsprechung.
Magistrats: Mitglieder des Tribunal Constitucional.
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